Interview mit Institutsleiter Dr. Frank Wild

14.06.2019

Der Institutsleiter des WIP, Frank Wild, spricht über die Rolle des WIP, das vergangene Jahr und die geplanten Forschungsvorhaben.

Herr Wild, warum braucht das deutsche Gesundheitswesen wissenschaftliche Untersuchungen mit Perspektive auf die Private Krankenversicherung?

Die Forschungslandschaft in Deutschland orientiert sich in erster Linie an der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die PKV wird da gern etwas vernachlässigt. Diese Lücke schließt unser Institut. Wir rufen als einzige Vertreter der Wissenschaft regelmäßig die zentralen PKV-Themen auf – zum Beispiel Kapitaldeckung, Alterungsrückstellungen oder Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Die Studien des WIP befassen sich aber nicht nur mit den klassischen PKV-Themen, oder?

Nein, wir blicken gern über den Tellerrand. Der Arbeitsbereich Internationales schaut sich regelmäßig die Entwicklungen der Gesundheitssysteme anderer Staaten an. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise das niederländische Gesundheitswesen näher unter die Lupe genommen.

Dort wurde im Jahr 2006 das duale System in ein einheitliches Krankenversicherungssystem überführt. Fazit?

Ernüchternd. Die Niederlande leisten sich mittlerweile eines der teuersten Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich. Die Gesundheitsausgaben liegen in etwa auf dem Niveau Deutschlands, obwohl die Bevölkerung um einiges jünger ist. Nach der Reform stiegen die Kosten, weshalb die Regierung versuchte, mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern. Das half allerdings wenig, die finanziellen Belastungen für die Versicherten stiegen trotzdem.

Wie positionieren Sie sich in einer GKV-lastigen Forschungswelt?

Wir verstehen uns als Gegengewicht zur GKV-nahen Wissenschaft. Das fordert uns, Aufklärung zu leisten, um die typischen Vorurteile gegenüber der PKV zu entkräften. Dem treten wir mit wissenschaftlich fundierten Argumenten entgegen, die wir auf Tagungen präsentieren und in Fachzeitschriften publizieren. Wir bringen so aktiv eine alternative Perspektive in die gesundheitspolitische Debatte ein.

Reichen dazu denn wissenschaftliche Formate aus?

Die Ergebnisse unserer Studien finden auch in den Medien Anklang und erreichen so die Öffentlichkeit. Außerdem liefern wir den Unternehmen der Privaten Krankenversicherung wichtige Erkenntnisse und Argumente. Damit dringt die Arbeit zwangsläufig aus dem Kreis der wissenschaftlichen Exklusivität.

Was waren die spannendsten Themen im vergangenen Jahr?

Ein großes Ereignis war der Weltkongress der Aktuare (ICA), der im Sommer 2018 in Berlin stattfand. Es war deshalb etwas Besonderes, weil wir mit gleich zwei Vorträgen teilnehmen durften. Das WIP präsentiert zwar regelmäßig seine Ergebnisse auf wissenschaftlichen Symposien und Kongressen – allein 2018 haben wir mehr als zehn Vorträge vor Fachpublikum gehalten. Trotzdem war es eine besondere Ehre, die deutsche Private Krankenversicherung vor Teilnehmern aus über 100 Ländern zu präsentieren.

Über welche Themen haben Sie denn gesprochen?

Das erste Thema stand ganz im Zeichen von Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung. Wir haben gezeigt, dass es funktionieren kann, Pflegerisiken einer ganzen Gesellschaft über die Kapitaldeckung abzusichern. Es war erstaunlich, wie viel Interesse wir unter den internationalen Experten wecken konnten. Das zweite Thema widmete sich der Frage, wie sich die Häufigkeit von Krankheiten in einer Gesellschaft mit steigender Lebenserwartung entwickelt, und welchen Einfluss das auf die Gesundheitsausgaben nimmt. Wir konnten darauf hinweisen, dass die Senioren heute zwar fitter sind – dies jedoch häufig an medizinischen Vorbehandlungen liegt.

Welche weiteren Schwerpunkte beschäftigen das WIP?

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Versorgungsforschung. Hier stehen wir im engen Austausch mit
den Mitgliedsunternehmen des PKV-Verbandes. Im Bereich Arzneimittel unterstützen wir sie zum Beispiel
mit Unternehmensberichten. Wir berechnen mit den uns zur Verfügung gestellten Daten unterschiedliche
Kennzahlen etwa zur Ausgabenentwicklung, zu Generikaquoten oder zu Medikamenten der PRISCUS-Liste. Auf dieser Basis können die Unternehmen ihr Leistungsmanagement optimieren. Dadurch wird letztlich die Versorgung der Patienten verbessert.

Was sind die nächsten großen Projekte?

Studien zu Mehrumsatz, Ärzteverteilung und Arzneimittel stehen bereits in den Startlöchern. Langfristig planen wir ein Projekt zur Auswertung von Rechnungsdaten zu Krankenhausleistungen. Dafür prüfen wir die technischen Voraussetzungen, um die nötigen Datengrundlagen beschaffen zu können. Das ist allerdings nur ein kleiner Ausschnitt. Man darf also gespannt sein.

Quelle: Interview aus dem Rechenschaftsbericht 2018/19 des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV)

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